Smartphone mit Pfand: Wie SHIFT den Handymarkt revolutionieren will
Wenn man SHIFT-Mitgründer Samuel Waldeck beim Zerlegen der modularen Handys zusieht, kann einem etwas schwindlig werden.
„Hier nehme ich den rückseitigen Akkudeckel ab. Nun kann ich das Handy umdrehen und einfach das Display entfernen, das Kabel lässt sich so abziehen,“ murmelt der bärtige junge Mann und nimmt rasch eine Komponente nach der anderen aus dem Handy heraus – mit bloßer Hand! Zuvor wurden lediglich ein paar Schrauben entfernt. Zum Schluss liegen zahlreiche Bauteile auf dem Tisch: Gehäuse, Hauptplatine, Display, Kamera und einiges mehr. Jedes einzelne Modul kann vom Nutzer selbst ersetzt werden. Besondere Kenntnisse werden dafür nicht benötigt.
Shiftphone ermuntert zum Selbstbau
Der Clou an den Shiftphones ist also: Wer zum Beispiel eine bessere Handy-Kamera haben will, tauscht sie einfach aus. Ist ein Teil defekt, kann es ohne besondere technische Kenntnisse ersetzt werden. Zahlreiche Anleitungen dazu gibt es im Internet.
Gewährleistung trotz Gebastel
Beim Auseinandernehmen der Shiftphones verfällt im Gegensatz zu anderen Produkten die Gewährleistung nicht, wenn Nutzer das Handy öffnen. SHIFT ermuntert seine Fans dazu, eigenständig die Handys zu reparieren oder aufzurüsten. „Wir unterstützen das Recht auf Reparatur,“ sagt Unternehmensgründer Waldeck dazu. Dies gelte auch fürs Rooten des Handys.
Anleitungen zum Reparieren der Shiftphones sind im Internet zu finden. Ersatzteile gibt es im Shop des Herstellers.
Drei Modelle für (fast) jeden Bedarf
Auf der IFA 2020 in Berlin wurde das neueste Smartphone aus dem Hause SHIFT vorgestellt: Das SHIFT 6mq ist mit einem Qualcomm Snapdragon 845 ausgestattet und hat damit ordentlich Leistung unter dem 6-Zoll-Display, das von Gorilla Glas geschützt wird. Android 10 ist ab Werk installiert. Die 128 GB interner Speicher können um 512 GB erweitert werden. 8 GB RAM flankieren den SoC. Die duale Hauptkamera ermöglicht Videos mit 4K-Auflösung.
Derzeit kostet das Gerät in der Vorvermarktung 799 €. Regulär sollen 844 € aufgerufen werden. Bereits enthalten ist ein Handypfand von 22 € – was das ist, erklären wir weiter unten.
Mit dem SHIFT 6mq wird das Angebot neben Einsteiger- und Mittelklasse nun auch die Oberklasse umfassen. Der Lieferstart soll im Oktober liegen. Ein genauer Start steht noch nicht fest.
Weiterhin verfügbar ist das Einsteigermodell SHIFT 5me für 399 €. Unter dem knapp 5 Zoll großen Display sind ab 32 GB Speicher und 3 GB RAM verbaut, auf Wunsch gibt es mehr. Für 555 € ist das SHIFT 6m zu haben, das mit 64 GB Speicher und 4 GB RAM aufwartet sowie ein 5,7 Zoll großes Display hat.
Das Handy mit Pfandsystem
Sollte ein Handy von SHIFT, auch Shiftphone genannt, einmal kaputt sein, kann es zum Hersteller im hessischen Falkenberg zurückgesendet werden (inkl. Originalkarton – darauf wird großen Wert gelegt). Dort wird es entweder repariert oder fachgerecht entsorgt, wenn nichts mehr zu retten ist. Im Austausch für ein kaputtes Gerät gibt es mindestens 22 € in Form eines Shop-Gutscheins zurück. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Handy vollkommen zerstört ist – die 22 € sind auf jeden Fall sicher. Wenn das Gerät in einem besseren Zustand ist, gibt es auch mehr. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass das Gerät oder die Komponenten wiederverwendet bzw. korrekt wiederaufbereitet werden.
Auf Wunsch kann das Handypfand auch ausgezahlt werden, wurde uns auf der IFA 2020 in Berlin bestätigt.
Shiftphones mit 2 Android-Varianten
Auf Shiftphones läuft Android mit geringen Modifikationen (Stock-Android) und sämtlichen Google-Diensten. Auf Wunsch können Nutzer aber auch eine Variante, das ShiftOS installiert bekommen. Diese ist „Google-frei“ und gilt als besonders datenschutzfreundlich. Statt des Google Play Stores ist F-Droid vorinstalliert. An Google werden keine persönlichen Daten im Hintergrund gesendet.
SHIFT strebt nach eigener Aussage eine möglich langfristige Versorgung mit Android-Updates an. Das Ziel ist, 5 Jahre lang Support zu bieten. Allerdings besteht hier auch eine Abhängigkeit von den Chip-Herstellern. Die Hoffnung beim neuen Handy SHIFT 6mq liegt darauf, dass Qualcomm für den Snapdragon 845 langfristig neue Android-Versionen freigibt, so dass diese ausgespielt werden können. Bei den bisherigen MediaTek-basierten Geräten besteht diese Hoffnung eher weniger.
Konzept erinnert an das Fairphone
Mit dem Anspruch, modulare und nachhaltige Smartphones herstellen zu wollen, erinnert SHIFT natürlich an das Projekt Fairphone aus den Niederlanden. Man sehe sich nicht als Konkurrenz, gibt Waldeck zu verstehen. Vielmehr lerne man voneinander und stehe miteinander im Austausch. Während das Fairphone stärker den Gedanken der transparenten Lieferkette in den Vordergrund stellt, verfolgt SHIFT den Ansatz, ein nachhaltiges und leistungsfähiges Handy mit modularem Aufbau zu produzieren.
Konzipiert und vertrieben werden die Shiftphones komplett in Deutschland. Der Firmensitz liegt im ländlichen Falkenberg in Hessen, 30 km südlich von Kassel. 50.000 Handys hat das Unternehmen nach eigener Auskunft in den vergangenen 5 Jahren verkauft. Das ist verglichen mit den großen Herstellern natürlich wenig, überstieg aber dennoch die Erwartungen. SHIFT ist ein Familienunternehmen mit einem kleinen Team. Im Gespräch mit den Mitgründern ist daher ein gewisser Stolz zu spüren, wenn davon die Rede ist, dass sie ein Handy mit einem hochwertigen Qualcomm-Prozessor auf den Markt bringen können, das in ihr Konzept passt.
Ausblick in die Zukunft zum Shiftphone
Das erwartet Dich noch künftig vom Hersteller des Shiftphones.
Das Tablop mit Wisch-Tastatur
Auf der IFA 2020 wurde der Prototyp des „Tablop“ SHIFT 13mi gezeigt: Ein Windows-Tablet mit einer neuartigen Detachable-Tastatur, die es in sich hat: Ein Touchpad fehlt völlig. Eingaben können aber nicht nur über den Touchscreen des Tablets, sondern noch schneller über die Tastatur selbst vorgenommen werden.
Möglich macht es eine Clevertura-Tastatur, die kapazitive Sensoren integriert hat. Der Sensor erkennt normales Tippen auf der Tastatur und ignoriert dieses. Sobald jedoch der Mauszeiger bewegt werden soll oder Gesten auf der Tastaturfläche ausgeführt werden, übersetzt der Sensor dies ohne Verzögerung. Auf diese Weise entfällt das Touchpad, was einen sehr kompakten Formfaktor ermöglicht.
Das SHIFT 13mi, wie sich das Tablop nennt, soll leistungstechnisch in der Oberklasse mitspielen und ist bereits zum Preis von 1222 € (regulär 1444 €) vorbestellbar. Wie bei SHIFT üblich, werden die Geräte durch Crowdsourcing finanziert, bevor sie in den Handel kommen. Daher wird hier bereits mit zukünftiger Technik geplant: Das SHIFT 13mi soll einen Tiger Lake i5 enthalten, der in diesen Tagen erst der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Die Leistung des Prozessors reicht sogar im lüfterlosen Silent Mode des Tablops aus, um ordentlich Performanz zu liefern. Über zwei M2-Slots können Nutzer das Gerät auf satte 4 Terabyte Speicher erweitern.
Handy mit 5G geplant
Auch das Thema 5G steht bei SHIFT auf der Agenda. Ein Smartphone mit dem neuen Netzstandard wird allerdings erst voraussichtlich 2022 gezeigt werden, mit etwas Glück aber auch Ende 2021. Aktuell verbrauche ein 5G-tauglicher SoC noch zu viel Energie. Zudem sei der Mehrwert von 5G für Normalnutzer für einige Zeit noch sehr überschaubar.