Mehr Auswahl bei App Stores, Browsern und Google

Digital Markets Act: Was das EU-Gesetz für Dein Handy bedeutet

Die EU will den Gängelungsdrang von Apple, Google und anderen Anbietern für wichtige Smartphone-Dienste zähmen. Welche Vorteile Dir das bietet, erfährst Du hier.
Apple App Store Logo auf einem iPhone Display als Symbolbild für den Digital Markets Act

Eine der größten Neuerungen des Digital Markets Act: Der App Store ist nicht mehr die einzige App-Quelle auf einem iPhone (Bild: James Yarema / Unsplash)

Die EU ist für Dich weit weg und spielt gefühlt in Deinem Smartphone-Alltag keine Rolle? Mit dem Digital Markets Act beweist sie Dir erneut das Gegenteil. Nachdem Brüssel etwa schon mit dem Auslands-Roaming den Preiswucher von Telko-Firmen zu Deinen Gunsten beendet hat, will die EU nun die Monopole bei Smartphone-Plattformen aufmischen.

Das Gesetz namens „Digital Markets Act“ (DMA) stellt für große Tech-Marken neue strenge Regeln auf. Wichtige Anbieter müssen Dir seit dem 7. März 2024 beim Gebrauch des Smartphones mehr Entscheidungsfreiheit bei der Auswahl von Apps und Diensten lassen. Was Dir das konkret bringt, vermittelt Dir Handyhase im Folgenden.

Was ist der Digital Markets Act (DMA)?

Der Digital Markets Act (DMA) ist im Wortsinn ein Gesetz über digitale Märkte. Es trat im November 2022 in Kraft. Wie geplant sind die ersten Effekte seit Frühjahr 2024 zu sehen. Nun greifen Regeln, die für einen faireren Wettbewerb bei digitalen Diensten und bessere Chancen für neue Angebote sorgen sollen.

Große Anbieter wichtiger Betriebssysteme und führender Online-Plattformen („Gatekeeper“) müssen es künftig kleineren Anbietern leichter machen, Dir ihre Apps und Dienste zur Auswahl zur stellen. Bei Verstößen gegen den DMA drohen empfindliche Geldstrafen, im Extremfall sogar eine Aufspaltung der Firmen.

Welche Firmen und Dienste sind Gatekeeper?

„Gatekeeper“ (Torwächter) nennt die EU solche großen Anbieter, die den Markt derart beherrschen, dass sie Konkurrenz klein halten und Wahlmöglichkeiten für Nutzerinnen und Nutzer unfair einschränken können. Auf Deinem Smartphone sind Gatekeeper vermutlich mehrfach vertreten. Folgende sechs Gatekeeper hat die EU identifiziert:

  • Alphabet (Google)
  • Amazon
  • Apple
  • Bytedance (TikTok)
  • Meta (Facebook, WhatsApp, Instagram)
  • Microsoft (Windows, LinkedIn)

Nicht alle Dienste dieser Firmen sind so bedeutsam, dass sie den Wettbewerb dominieren. Einige aber schon. Zu den 22 Gatekeeper-Diensten mit marktbeherrschender Stellung zählt die EU bislang folgende:

  • Betriebssysteme: Android, iOS, Windows PC
  • Browser: Chrome, Safari
  • Soziale Netze: TikTok, Facebook, Instagram, LinkedIn
  • Messenger: WhatsApp, Facebook Messenger
  • Suchmaschinen: Google Suche
  • Vermittlungsdienste: Google Maps, Google Play, Google Shopping, Amazon Marketplace, Apple App Store, Meta Marketplace
  • Videosharing: YouTube
  • Werbedienste: Google, Amazon, Meta
Infografik mit den 22 Gatekeeper-Diensten, die die EU als solche benannt hat

Diese Dienste sind aus Sicht der Europäischen Kommission „Torwächter“ und müssen ihre Plattformen künftig offener gestalten als bisher. (Bild: Europäische Kommission)

Welche Regeln stellt der Digital Markets Act auf?

Konkret legt der Digital Markets Act der EU den Torwächtern folgende Regeln auf:

  • Torwächter dürfen ihre Produkte und Dienste auf der eigenen Plattform nicht besser stellen als die von anderen Anbietern.
  • Du sollst frei wählen können, aus welcher Quelle du Apps auf Deinem Smartphone installierst.
  • Du sollst nicht auf die Standard-Apps der Betriebssysteme angewiesen sein müssen, sondern Alternativen wählen dürfen.
  • Die Abschottung der großen Chat-Dienste WhatsApp und Facebook Messenger gegenüber kleineren Chat-Apps ist laut EU unfair. Ein Austausch der Nachrichten muss möglich sein.

Außer bei WhatsApp und Google sorgt der DMA vor allem bei Apples iOS-Plattform für Handlungsdruck. Im Scherz spricht man schon davon, dass die neuen Regeln zu einem EU-iPhone führen.

DMA verlangt freie Wahl des App Stores auf iPhones

Aus welcher Quelle Du Deine Smartphone-Apps herunterlädst, sollst Du frei entscheiden können. Unter Android ist das seit jeher kein Problem. Neben dem Google Play Store gibt es auch andere Optionen („Sideloading“). Hingegen unter iOS war der Apple App Store bisher die einzige erlaubte Adresse für iPhone-Apps. Das ändert der DMA.

  • Seit dem Update auf iOS 17.4 sind App-Installationen aus alternativen App Stores oder von Webseiten auf dem iPhone möglich.
  • Mehrere Alternativen stehen in den Startlöchern. MacPaw will die App-Sammlung Setapp als Download-Laden veröffentlichen (zur Beta-Version). Die deutsche Firma Mobivention plant einen App Marketplace für Geschäftskundschaft.
  • Fans von Fortnite werden wohl bald wieder eine iPhone-App der Spielefirma Epic installieren können, verkündete Epic-Chef Tim Sweeney.
  • Für App-Anbieter, die Abos als In-App-Kauf vertreiben, ist das Sideloading der kostengünstigere Weg – und damit auch für Dich. In diesem Fall zahlen Anbieter nämlich künftig Apple nur eine „Kerntechnologie-Abgabe“ in Höhe von 50 Cent für jede erste jährliche Installation. Bisher mussten die Anbieter bei einem Kauf im App Store bis zu 30 Prozent vom Umsatz abgeben. Dieser Anteil sinkt nun zwar auch, kann aber immer noch 17 Prozent betragen.

So einfach zugänglich, wie sich die EU das vorstellen dürfte, ist das Sideloading in der mobilen Apple-Welt noch nicht.

  • Die Installation von alternativen App-Marktplätzen ist laut mac & i bisher mühselig und mit vielen Schritten verbunden.
  • Das Sideloading gibt es bisher nicht für iPad und Apple Watch. Dort kannst Du vorerst keine Anwendungen aus Drittanbieter-Quellen laden. Inwiefern die EU das akzeptiert, wird sich zeigen.
  • Und egal für welche Vertriebsquelle – Apples Provisionsforderungen bleiben ein Streitthema. Etwa Spotify findet die Bedingungen immer noch nicht fair genug, nachdem der Musikstreaming-Anbieter sich schon im Streit um die Bewerbung günstiger Abos außerhalb von Apples App Store durchgesetzt hat.
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Standard-Apps löschen und Alternativen nutzen

Dank des Digital Market Act musst Du nicht mehr die Standard-Apps des Betriebssystems akzeptieren. Zudem gehören nicht deinstallierbare Apps wohl bald der Vergangenheit an. Konkret verlangt der DMA:

  • Links dürfen sich nicht mehr nur in vorgegebenen Standard-Apps der Betriebssystemanbieter öffnen. Gemeint sind etwa Browser und Kartendienste.
  • Alle Anwendungen, die nicht zwingend für die engere Funktionstüchtigkeit des Betriebssystems nötig sind, sollst Du löschen können. Netter Nebeneffekt: Das Problem der Speicherplatz raubenden Bloatware wird damit verringert.

Erste Auswirkungen sind unter iOS sichtbar:

  • Seit dem Update auf 17.4 gibt es keinen Zwang mehr zu Safari als Standard-Browser. Stattdessen bestimmst Du in einem Auswahlfester oder später in den Einstellungen alternative Browser, etwa Chrome, Firefox oder Edge.
  • Die Videochat-App FaceTime ist seit dem gleichen iOS-Update auf dem iPhone und iPad verschwunden. Möchtest Du sie trotzdem nutzen, lädst Du sie aus dem App Store herunter.

Apple hat weitere Pläne, um den DMA zu erfüllen.

  • Bis März 2025 sollst Du eine alternative Standard-Navi-App wählen können. Statt Apple Karten öffnet sich dann auf Wunsch zum Beispiel Google Maps oder TomTom standardmäßig.
  • Ein Migrations-Tool soll den Umzug von Safari zu anderen Browsern erleichtern. Es kommt wohl Ende 2024 oder Anfang 2025.
  • Safari lässt sich voraussichtlich ab Ende 2024 komplett deinstallieren.

DMA: Mehr Alternativen in der Google-Suche

Ab sofort kontrolliert die EU auf der Rechtsgrundlage des Digital Market Act, ob Google eigene Dienste in den Suchergebnissen prominenter platziert als andere. Besonders im Fokus stehen Angaben in Google Shopping und Google Maps. Der Suchmaschinenkonzern hat reagiert und zum Beispiel Folgendes angekündigt:

  • Die Ergebnisse von Spezialsuchmaschinen, etwa Vergleichsportale für Flüge, Hotels oder Shopping stellt Google künftig ausführlicher dar. Sie sollen mehr Platz in den sogenannten Karussell-Galerien erhalten, in denen Du horizontal scrollst, um zwischen Ergebnissen zu wechseln.
  • Bei Suchanfragen zu einem bestimmten Ort will Google Angaben aus dem eigenen Kartendienst gleichberechtigt zu denen aus anderen Quellen darstellen.

Nachrichten zwischen Messengern austauschen

Geht es nach der EU, sind die Chat-Apps von WhatsApp und Facebook Messenger zu stark abgeschottet. Diese Gatekeeper-Dienste sollen sich für den Datenaustausch mit anderen Chat-Diensten öffnen und damit interoperabel werden. Gemeint sind Apps wie Threema, Signal, Telegram oder Apples iMessage.

Der Digital Markets Act sieht eine schrittweise Annäherung vor:

  • Im ersten Schritt sollen die Gatekeeper-Dienste ermöglichen, dass einzelne Nutzerinnnen und Nutzer von WhatsApp und Facebook Messenger Textnachrichten, Bilder, Videos sowie weitere angehängte Dateien zu einzelnen Nutzerinnen und Nutzern anderer Chat-Apps verschicken können. Umgekehrt gilt das ebenfalls. Die technische Grundlage hat Meta dafür geschaffen und somit die Regeln erfüllt.
  • Etwas länger Zeit lassen kann sich Meta mit der Interoperabilität von Gruppenchats, also dass mehrere Nutzerinnen und Nutzer verschiedener Apps sich gleichzeitig miteinander austauschen können. Diese Funktion muss im Laufe des Jahres 2025 folgen.
  • Vier Jahre später tritt im Jahr 2027 eine dritte und vorerst letzte Stufe in Kraft. Dann müssen auch Sprach- und Videoanrufe zwischen verschiedenen Messenger-Diensten technisch möglich ein.

Kleiner Haken: Öffnen müssen sich die großen Chat-Dienste gemäß dem Digital Market Act nur, wenn kleinere Dienste sich melden und mit ihnen reden wollen. Zum Beispiel Threema und Signal zeigen kein Interesse daran, weil sie Sicherheitsbedenken haben.

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Profilbild von Berti Kolbow-Lehradt
Berti ist freier Technikjournalist mit einem Her(t)z für Smartes - vom Smartphone bis zum Smart Home. Weil er dazu gerne Tipps gibt, trägt er den Beinamen "RatgeBerti" und schreibt darüber außer für die Handyhasen für viele weitere große Magazine.

Foto: Daniel Kunzfeld

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