Auracast für Bluetooth-Kopfhörer: So funktioniert die „Multi-Streaming“-Technik
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Auracast ist das nächste große Projekt der Bluetooth Special Interest Group (SIG). Doch was ist Auracast eigentlich und wie fühlt es sich an? Auf der CES 2024 in Las Vegas konnte sich Handyhase das System vorführen lassen und ausführlich mit SIG-Vertretern über die neue Technik unterhalten.
Auracast ist ein Broadcast-System, das man grob mit einem Radio vergleichen kann. Allerdings ist der Radioempfänger Dein Paar Ohrstöpsel, ein Headset oder große Bluetooth-Kopfhörer. Dein Smartphone ist der „Drehknopf“ mit dem Du Dir Deine Kanäle suchst. Seit 2022 hat Bluetooth diese Erweiterung von LE Audio angekündigt. Die Demo auf der CES 2024 ist auch nicht die erste. Schon auf der Computex ein halbes Jahr zuvor wurde Auracast demonstriert. Doch die CES 2024 konnte als Messe selbst erstmals das Große und Ganze zeigen, denn die Industrie ist jetzt prinzipiell bereit.
Beispiele für einen Einsatz gibt es viele und in manchem wirst Du Dich vielleicht wiederfinden. Es lohnt sich drüber nachzudenken, beim nächsten Hardwarekauf auf Auracast zu achten.
In einem Hörsaal könnte etwa ein Vortrag per Auracast versendet werden. Studierende würden sich dann über ihre Stöpsel mit dem Sender verbinden, wenn sie etwa ungünstig zu den Lautsprechern sitzen. Selbst eine Simultanübersetzung wäre machbar, indem man einen anderen Sprachkanal wählt. Auracast kann bis zu acht Kanäle gleichzeitig ausstrahlen. Bisher war das sehr teurer Konferenztechnik vorbehalten.
Bei Dir zu Hause könntet Ihr gemeinsam einen Videoabend durchführen. Die Uhrzeit ist dann egal, da der Fernseher Auracast kann und ihr den Actionkracher auch um 3 Uhr nachts mit vollem Sound anschauen könntet, ohne die Nachbarschaft aufzuwecken. Witziger Fun-Fact: Selbst eine Silent Disco könntest Du mit dieser Technik aufbauen.
Auracast auf Flughäfen
Szenarien, die die Bluetooth SIG selbst demonstrierte, fielen eher in den professionellen Bereich. Du kennst sicher an Flughäfen die vielen Fernseher, die manchmal Nachrichten oder auch Sportereignisse zeigen. Manchmal finden die sich auch in einer Sports Bar im Flughafen. Mit Bluetooth Auracast kannst Du Dich in Zukunft in diese Fernseher „einklinken“ und mithören. Meist sind diese Fernseher nämlich sehr leise eingestellt oder der Ton gleich ganz aus.
Das funktionierte bereits ganz gut. Über die Auracasteinstellungen einer Demo-App bekamen wir mehrere Auracast-Sender präsentiert und haben uns den richtigen ausgesucht. Das funktioniert ähnlich wie das Auswählen eines WLANs.
Ein weiteres Einsatzszenario sind Ansagen auf dem Flughafen. Du schaust auf Deinem Handy in den Auracast-Einstellungen nach Deinem Flugsteig und wählst dort den Sender und vielleicht sogar die Sprache der Ansage aus. So bekommst Du auch dann alles mit, wenn es am Flughafen mal lauter wird oder Du etwas weiter entfernt sitzt.
Und schließlich könntest Du auf Deinem Tablet einen Film schauen und den Ton mit der ganzen Familie, Freunden oder gar Fremden teilen. Natürlich gegebenenfalls mit einem Passwortschutz. Nebenbei kann jeder den Ton in der für sich besten Lautstärke hören. Dann können auch Oma und Opa mithören, die vielleicht nicht mehr ganz so gut hören.
Wichtigster Punkt ist: Es gibt einen Sender und nahezu unbegrenzt viele Empfänger. Eine Begrenzung gibt es eher physischer Natur. Ist der Sendebereich voll, können halt keine weiteren Personen mehr zuhören.
Klingt spannend, oder? All das ermöglicht Bluetooth Auracast. Doch leider ist diese Erweiterung des Standards (LE Audio) nicht einfach in allen Kopfhörern vorhanden. Zudem muss auch Dein Smartphone (oder Tablet oder Notebook) in der Lage sein, damit umzugehen.
Deine Hardware muss nur teils Auracast-fähig sein
Doch was braucht es eigentlich für Bluetooth Auracast? Da gibt es gute und schlechte Nachrichten. Zuerst die gute:
Dein Smartphone ist mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Lage mit Bluetooth Auracast umzugehen, selbst wenn es den Standard selbst nicht kennt. Das liegt daran, dass sich die Kopfhörer und nicht das Smartphone mit dem Auracast-Sender verbinden.
Der Clou: Dein Smartphone kann die Auracast-Unterstützung Deiner Kopfhörer verwenden. Vereinfacht gesprochen fragt das Smartphone Deine Ohrstöpsel nach „Welche Auracasts siehst Du?“. Anschließend scannen die Ohrstöpsel die Umgebung und leiten diese Informationen an Dein Smartphone weiter und Du wählst Deinen Wunsch-Auracast.
Besser wäre natürlich, wenn das Smartphone selbst nach Auracasts suchen kann. Das ist aber nicht notwendig, sofern zusätzliche Software zum Einsatz kommt.
Auf der CES demonstrierte das die Bluetooth SIG sogar. Dort waren Smartphones mit nativer Auracast-Unterstützung wie auch Smartphones ohne Unterstützung für die Demo vorhanden. Letztere waren Apples iPhone 15 und nutzten eine spezielle App von Qualcomm. Nativ wurde Auracast mit mehreren Pixel-6-Smartphones demonstriert.
Voraussetzung für die Smartphones ist laut der SIG eigentlich nur Bluetooth LE. Ein Smartphone, welches Bluetooth 4.1 inklusive LE-Radio unterstützt, vielleicht sogar bis hinunter auf Bluetooth 4.0, sollte mit Auracast ausstattbar sein, so die Bluetooth SIG vor Ort. Das heißt, in der Theorie könnte selbst Microsofts Windows Phone Lumia 650 noch damit ausgestattet werden, das 2016 erschien.
Hörhilfen auf der CES 2024
Es braucht nur jemanden, der eine entsprechende App entwickelt, was bei Microsofts alter Plattform freilich eher unwahrscheinlich ist. Aber es macht zumindest Hoffnung, dass es für alte Android-Smartphones oder iPhones eine Lösung geben könnte. Bluetooth will demnächst auch Dokumente veröffentlichen, die dabei helfen sollen, alte Geräte mit Auracast zu versorgen.
Doch das Smartphone ist nur eine Komponente zu Auracast – und da wären wir bei der schlechten Nachricht.
Kopfhörer müssen Auracast können
Bluetooth-Kopfhörer, -Ohrhörer oder gar -Hörgeräte müssen zwingend Auracast unterstützen. Deine alten Stöpsel können sich leider prinzipiell nicht mit Auracast-Sendern verbinden, wenn sie nicht mindestens Bluetooth 5.2 samt LE Audio unterstützen. Sie brauchen zudem das „Public Broadcast Profile“ des Bluetooth-Standards.
Ob einigermaßen aktuelle Kopfhörer damit ausgestattet werden, lässt sich noch nicht sagen. Die Chancen stehen bei Bluetooth-Hardware traditionell aber schlecht. Gerade günstige Hardware bekommt nur selten – wenn überhaupt – Firmware-Updates.
Es hängt wie immer von den Herstellern ab, ob diese ihre Produkte mit solchen neuen Funktionen nachträglich ausstatten. Bei hochpreisigen Produkten könnte das eher passieren. Ein Beispiel dafür sind Samsungs Galaxy Buds2 Pro, die zunächst ohne Auracast-Unterstützung verkauft wurden, aber von Samsung mit einem großen Update versorgt wurden. Aber dazu später mehr.
Willst Du selbst Auracast in Deiner Wohnung einsetzen, sieht es noch schlechter aus. Hier sagt die Bluetooth SIG selbst, dass sie davon ausgeht, dass Fernsehgeräte mit zusätzlicher Hardware (per USB etwa) ausgestattet werden müssen oder gar ersetzt werden müssen. Umso mehr solltest Du auf die entsprechenden Fähigkeiten eines neuen Fernsehers etwa achten, wenn Du etwa auch daheim Auracast nutzen willst.
Hardware die praktisch fertig ist
Auf der CES konnte die Bluetooth SIG bereits eine größere Anzahl an Auracast-fähigen Geräten vorstellen.
Ein Beispiel für Ohrhörer am Markt, die per Update Auracast bekommen, sind Samsungs Galaxy Buds2 Pro. Die hat die Bluetooth SIG auf der CES als kaufbare Geräte präsentiert und daneben auch das Galaxy S23 Ultra gelegt, das Auracasts direkt finden kann.
Für die Geräte hat Samsung vor einigen Monaten offiziell Auracast angekündigt und wollte auch einige Fernseher damit ausstatten. Das Update ist auch schon seit einigen Monaten verfügbar und seit OneUI 6.0 lässt sich nach Auracasts in Smartphones suchen. Mit OneUI 6.1 kannst Du sogar selbst Auracasts starten, damit Du Deine Musik mit Freunden gemeinsam hören kannst. Handyhase konnte das allerdings noch nicht ausprobieren. Während der Recherchen zeigte sich leider, dass dies seitens Samsung nicht vernünftig dokumentiert ist. Selbst auf Produktseiten fehlen in den technischen Daten die Hinweise auf Auracast.
Ein weiteres Beispiel ist Sennheisers CES-Ankündigung. Die Ohrhörer Momentum True Wireless 4 werden auch Auracast unterstützen und ab Mitte Februar 2024 für rund 300 Euro zu haben sein. Gleichzeitig zeigt Sennheiser, dass Auracast nicht in allen Neuankündigungen zu finden sein wird. Die preislich ähnlich gelagerten Momentum Sport sowie der für 230 Euro angekündigte Accentum-Plus-Kopfhörer werden Auracast nicht unterstützen.
Besonders viel gab es übrigens vom Audiospezialisten Moerlab zu sehen. Sogar externe Lautsprecher, die Auracast empfangen können, bietet das Unternehmen. Durchaus interessant, wenn man beispielsweise die gesamte Wohnung beschallen will.
Interessant ist zudem, dass auch auffallend viele Hörgeräte zu sehen waren. Bluetooth Auracast ist sogar auf Initiative der Hörgerätehersteller entstanden, die bisher auf induktive Audioanlagen gesetzt haben. Solche Anlagen sind nicht geläufig und aufwendig in der Installation. Der Berliner Flughafen hat beispielsweise eine örtlich begrenzte Anlage am PRM-Counter des Terminal 1. Andere Flughäfen wie München oder Frankfurt am Main haben Auracast gar nicht.
Auracast verspricht hier nebenbei eine Revolution für Menschen mit eingeschränktem Hörvermögen, denn die Installation einer Auracast-Anlage ist vergleichsweise spottbillig. Im Zweifel kannst Du das selbst mit Deinem Smartphone machen, wie Samsung es mit seinen Updates bereits verspricht. So werden Barrieren abgebaut, denn Menschen mit Hörproblemen sind bei weitem nichts Ungewöhnliches. Sie fallen nur nicht so auf, wie etwa Brillenträger.
Und die Betriebssysteme iOS und Android?
Softwareseitig ist zumindest Android 13 bereits auf Auracast vorbereitet. Auch hier zeigt sich aber ein kleines Problem. Google dokumentiert dies zwar, doch nennt es nicht Auracast, sondern Broadcast. Außerdem bleibt es den Herstellern der Smartphones überlassen, ob Auracast umgesetzt wird. Wenn Du an der Technik interessiert bist, solltest Du Dich am besten auf längere Nachforschungen einstellen. Im Moment ist das Thema selbst bei vielen Herstellern kaum ins Bewusstsein gerückt.
Denn selbst wenn Du ein Auracast-Headset kaufst, heißt das noch nicht, dass Du Auracast auch auf Deinem Smartphone nutzen kannst. Das ist vielleicht der ärgerlichste Teil der neuen Broadcast-Technik. Sie muss selbst auf Smartphones, die sie theoretisch beherrschen, freigeschaltet werden. Und sei es über eine unabhängige App, die irgendjemand hoffentlich bald entwickelt. Dem Vernehmen nach wird Qualcomms Demo-App, die wir auf der CES nutzen konnten, jedenfalls nicht frei verfügbar gemacht.
Das wäre nach derzeitigem Stand vor allem für iOS und iPadOS, sprich Apple, wichtig. Wobei wir uns schlecht vorstellen können, dass Apple hier nicht reagiert und Auracast auch für iPhones und iPads zur Verfügung stellt. Die Frage ist weniger ein Ob als ein Wann. Leider kommuniziert Apple zum Thema Auracast überhaupt nicht. Das erschwert eine Kaufentscheidung innerhalb des Apple-Universums.
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