Navigo, Olympia und fehlende Rechnungen

Ausprobiert: Durch Paris mit dem iPhone als Fahrkarte

Mit Navigo auf dem iPhone wird das Fahren mit Bus und Bahn in Paris einfacher. Allerdings bleibt das Tarifsystem ungewöhnlich, daran ändert auch die iPhone-Unterstützung nichts. Es gibt außerdem fiese Fallen, vor allem bei Geschäftsreisen.

Eine Straßenbahn in Paris. (Foto: Andreas Sebayang/Privat)

Fahrkarte auf dem iPhone: Navigo in Paris ausprobiert

In der Region Île-de-France gibt es seit Kurzem für das iPhone eine Unterstützung der Navigo genannten Plastikkarte. Diese kannst Du dann eigentlich zuhause lassen und stattdessen die Tickets auf Deinem Smartphone direkt in Apple Pay lagern und darüber auch Kaufen.

Im Rahmen des Unpacked-Events von Samsung war Handyhase im Paris und nutzte – nach dem Ausprobieren des Galaxy Rings und Co. – die Gelegenheit mit dem iPhone in der Hand Paris und Umgebung zu erkunden. Der Einfachheit halber reden wir hier allgemein von Paris, auch wenn wir hier und da mit Navigo etwas weiter herausgekommen sind.

Der Start ist dabei denkbar einfach. Du machst Deine Wallet auf, drückst auf das Plus-Symbol in der oberen Ecke und fügst nach einer kurzen Suche die virtuelle Navigo-Karte hinzu. Anschließend kannst Du diverse Pässe kaufen, musst aber erst einmal Bedingungen in französischer Sprache absegnen. Was dort drin steht wissen wir mangels Französischkenntnissen und wenig Lust seitenweise Vertragswerke durchzulesen auch nicht. Sowas akzeptierten wir einfach, wie wohl die meisten Fahrgäste.

Die Fahrkartenoptionen sind dabei recht einfach gehalten. Es gibt Tageskarten für die Zonen 1 bis 3 oder 1 bis 5, Einzeltickets (t+, Paris oder Metro-Linien) oder sogenannte Ticketbücher (Carnets) mit mehreren Einzeltickets, die den effektiven Preis senken. So kostet ein einzelnes t+Ticket 2,15 Euro. Kaufst Du aber zehn Stück liegt der Preis bei 17,35 Euro. Ein ziemlich netter Rabatt.

Aber auch bei den Einzeltickets wirst Du in Deutschland Schwierigkeiten bekommen so günstige Tickets zu bekommen. Paris ist ideal für Gelegenheitsfahrgäste. Während Olympia gilt ein etwas anderes System, worauf wir später eingehen.

Denn wir haben Navigo auf dem iPhone noch vor Olympia ausprobiert. Das ist dann auch ziemlich simpel. Du hälst Dein iPhone an ein Lesegerät zur Ticketkontrolle und es wird vom 10er-Ticket beispielsweise eines abgezogen.

Umsteigen kannst Du innerhalb von 90 Minuten dabei teilweise auch, etwa von den RER (so etwas wie Regionalbahnen mit S-Bahn-Charakter) zur Metro (U-Bahn) oder von Bus zu Tram. Steigst Du aber beispielsweise von der Tram in die Metro, dann wird ein neues Ticket fällig. Registrierten Fahrgästen wird dies aber erlaubt. Es gibt also Vorteile für die Île-de-France-Bevölkerung.

Navigo auf dem iPhone lässt sich zudem als Express Travel Card einstellen. Das bedeutet, dass Du nur noch das iPhone an die Lesegeräte halten musst, es aber nicht extra entsperren musst, wie das etwa beim Bezahlen von Tickets über Apple Pay der Fall ist. Da Paris keine direkte Zahlung am Ticketgate per EMV Contactless zulässt, kannst Du aber nicht per Apple Pay und etwa gespeicherte Visa- oder Mastercard-Karten bezahlen.

An der Navigo-Plastikkarte, die mit einer kontaktlosen Schnittstelle ausgestattet ist, ändert sich natürlich nicht. Du kannst die Karte selbstverständlich auch weiterhin an Dein iPhone halten und über die App SNCF Connect darauf Tickets laden. SNCF Connect verbindet sich übrigens auch mit der Apple Wallet, sprich Du kannst Tickets auch über die App und einen personalisierten Account kaufen, musst es aber nicht. Wir haben SNCF Connect nur für unsere physische Navigo-Karte verwendet. Die App IDF Mobilités kann übrigens dasselbe, hat aber einen stärkeren Fokus auf Paris.

Unsere Navigo Erfahrung: Ausstieg in Orly klappte nur mit Personal

Für Fahrten innerhalb von Paris reichen die Einzeltickets meist, außer Du bist viel unterwegs. An einem Tag wählten wir dabei eine Tageskarte für die Zonen 1-5, weil wir an dem Tag auch gleich zwei Flughäfen besuchen wollten. Es war auch der Tag des Rückflugs.

Für 20,60 Euro gab es dieses Ticket, das einem auch den Zugang zu den Flughäfen Charles de Gaulle und Paris Orly ermöglicht. Doch in Orly verweigerte uns das Ticketgate den Ausgang mit dem iPhone.

Die Pariser Metro ist sich der Problematik offenbar bewusst und stellt bei den Ausgangsticketkontrollen Personal ab, welches einem hilft. So durften auch wir dann die Metrostation Orly verlassen, nachdem wir das iPhone-Ticket vorgezeigt hatten. Es ist eine der Besonderheiten des Pariser Tarifsystems. Eigentlich gilt in der Metro nur eine Tarifzone. Selbst wenn Du in eine Tarifzone fährst, die laut der RER-Bahnen etwa in Zone 2 oder 3 liegt, dann gilt für die Metro fast immer ein t+-Ticket. Die Linie 14 ist mit dem Endbahnhof Orly eine Ausnahme. Da gönnt die Metro sich einen Batzen Extrageld bei den Fluggästen.

Tarifsystemeigenarten in Paris

Das Tarifsystem für den ÖPNV ist in Paris also nicht unbedingt einfach zu verstehen. Es ist gleichzeitig aber auch nicht allzu komplex. Wer komplexe Tarife sucht, sollte sich mal mit den Tarifschlüsseln im Rhein-Main-Gebiet (RMV, u.a. Frankfurt am Main) beschäftigen oder versuchen, die Logik hinter dem Kurzstreckensystem von Hamburg zu verstehen.

Paris hat hingegen zumindest in der Innenstadt ein simples und günstiges System. Es gibt eine Zone und die t+ genannten Tickets sind mit etwa 2 Euro ziemlich günstig. In der U-Bahn gilt zudem nur eine Zone, sprich die t+-Tickets gelten überall – die oben beschriebene Ausnahme der Linie 14 mal außen vor gelassen.

Komplizierter wird es erst, wenn man ein wenig rausfährt. Dafür nehmen wir ein Beispiel: Fährst Du vom Zentrum in Paris nach La Défense, dann kostet Dich das mit der Metro ein t+-Ticket, also um die 2 Euro. Fährst Du hingegen die selbe Strecke mit der RER B oder neu mit der RER E, dann gilt ein Zonentarif der bei 5 Euro liegt. Denn La Défense liegt in der Zone 3.

Dieser Zonentarif wird über Navigo als Einzelfahrt jedoch nicht angeboten. Wenn Du ohnehin Hin- und Zurück fahren willst, dann kannst Du auf dem iPhone aber immerhin eine passende Tageskarte kaufen.

Das macht das System unnötig kompliziert, da es Tarife und  Beschreibungen gibt, die Du auf bestimmten Wegen gar nicht kaufen kannst.

Dazu kommt, dass manches nur in französischer Sprache dokumentiert ist und Tageskarten beispielsweise sofort gültig werden. Auf Vorrat kaufen geht nicht. Da musst Du etwas aufpassen und das wird insbesondere zu Olympia ein Problem.

Zu Olympia werden die Tarife teurer

Zu Olympia wird die Sache mit den Tarifen übrigens besonders seltsam. Denn Paris will die vielen Touristen für das zusätzliche Nahverkehrsangebot bezahlen lassen. Wie das funktioniert? Indem Du temporär höhere Ticketpreise hinnehmen musst. Ein ziemlich ungewöhnliches Konzept.

Das trifft zudem auf Gelegenheitsfahrgäste und eben Touristen. Umgehen kann man die höheren Tarife aber teilweise mit Zeitkarten. Aber nicht mit allen. Sprich die Bevölkerung von Île-de-France wird in vielen Fällen nicht zur Kasse gebeten.

Was das konkret heißt? Das Navigo Day Ticket für 8,65 Euro ist als Beispiel vom 19. Juli bis zum 8. September 2024 nicht käuflich erwerbbar. Stattdessen musst Du zum Ticket Paris 2024 greifen, das Dich für einen Tag stolze 16 Euro kostet. Das gilt dann immerhin auch bis in die Zone 5 (Flughafen Charles de Gaulle), ist aber für Dich, der nur die Stadt besuchen will und nicht Olympia, ziemlich ärgerlich.

Immerhin: Je mehr Tage Du kaufst, desto günstiger wird es. Eine Woche kostet etwa 70 Euro, was auch noch recht happig ist. Ein Monatsticket kostet nämlich mit 86,50 Euro nur etwas mehr. Weitere Details findest Du in der Liste der Fahrkarten von Île-de-France Mobilités.

Navigo auf dem iPhone: Vorsicht bei Geschäftsreisen

Eine etwas unangenehme Überraschung erwartet Dich bei der Heimkehr von einer Geschäftsreise. Dann wird es nämlich etwas unklar. Wer nicht sofort beim Kauf eines Tickets Screenshots macht, der hat gar kaum Belege für seine Fahrten. Vor allem solltest Du mit Deiner Abrechnungsstelle erst einmal sprechen, ob Navigo auf dem iPhone für Dich eine Option ist.

Im Unterschied zu den Papierfahrkarten oder der Speicherung auf der Navigo-Plastikkarte, gibt es nämlich keine Quittungen. Aufgebrauchte Tickets verschwinden zudem recht schnell in der Historie der Wallet-App. Wenn Du Pech hast, hast Du gar keine Nachweise für Deine Fahrten durch Paris. Da manche Fahrkarten, etwa zum Flughafen, auch recht teuer sind, ist das nicht ganz unproblematisch.

Ob das Finanzamt die seltsam wirkenden Nachweise mit Screenshots der Fahrkarten und vielleicht auch Kreditkartenabrechnungen akzeptiert, ist dann wieder eine andere Frage.

Das ist übrigens keine Besonderheit von Navigo. Das gilt auch für andere Apple-Pay-Systeme mit Fokus auf Nahverkehrssysteme. Dazu gehören Clipper, Pasmo oder auch Suica mit denen der Autor dieser Zeilen ebenfalls viel Erfahrung hat.

Paris im Vergleich zu Ticketsystemen in anderen Ländern

Paris ist für Apple Europas erstes Angebot. Doch weltweit lässt sich Apple Pay schon lange über die jeweils einheimischen Kartensysteme nutzen. Beispiele sind etwa Clipper in San Francisco oder auch Suica, das in Japan vor allem in der Kantō-Region und darüber hinaus als Fahrkarte verwendet wird. Suica ist eigentlich ein Zahlungssystem, allerdings mit starkem Fokus auf den Nahverkehr.

Das ist in Europa sehr selten. Die tschechische Stadt Brno gibt etwa die Mastercard (Debit) als Nahverkehrskarte aus und nutzt damit ebenfalls ein Zahlungsmittel im Nahverkehr. Es lassen sich sogar Rabatte für Kinder einstellen, was normalerweise mit Kredit- oder Debitkarten nicht funktioniert.

Ob Rabatte für junge Menschen mit Navigo auf dem iPhone funktioniert? Das konnten wir nicht ausprobieren, da wir schlicht zu alt sind. Es gibt aber Hinweise, dass es geht. Die SNCF Connect App erlaubt etwa das Kaufen von jungen Tarifen (unter 26 Jahren, Jeunes Weekend) fürs Wochenende, die entweder auf die Navigo-Karte oder auf die virtuelle Navigo-Karte übertragen werden kann. Das ist durchaus etwas Besonderes.

Reine Kindertickets sind nach unserem Kenntnissstand aber ein Thema für Zeitkarten und nicht in Einzelfahrausweisen abgebildet. Aber auch hier gilt: Aus dem Alter sind wir lange raus, um es überhaupt auszuprobieren.

Fazit: Navigo macht Spaß

Wenn Du nur in Paris unterwegs bist, dann gib Navigo auf dem iPhone durchaus eine Chance. In der Regel ist das völlig ausreichend und bequem in der Nutzung. Mit den Tageskarten – gerade zu Olympia – kommst Du auch weiter hinaus. Nur Einzelfahrten sind mitunter kompliziert.

Es ist also nicht so einfach wie das japanische Suica-System. Dort lädst Du einfach Geld auf und fährst nach Lust und Laune in der Kantō-Region herum, ohne einmal Tarife studieren zu müssen. Außer Du willst mit Premium-Zügen (Liner/Limited Express) fahren, aber das ist ein ganz anderes Thema.

Die Gates in einem U-Bahnhof. (Foto: Andreas Sebayang/Privat)

Die Prozesse mit Navigo per Apple Wallet sind trotzdem simpel, das Ticket per Apple Pay schnell bezahlt und Anstellen am Automaten kannst Du Dir auch sparen. Das wünschen wir uns nun für alle Nahverkehrssysteme in Europa, wohlwissentlich, dass Deutschland aufgrund des E-Ticket-Deutschland-Systems mit dem schönen Namen VDV Kernapplikation wohl für lange Zeit ausgeschlossen sein wird. Das E-Ticket Deutschland stellt die Verkehrsbetriebe hierzulande vor enorme Schwierigkeiten, weswegen es beispielsweise in Hamburg, Berlin und Mainz jeweils noch ein weiteres Kartensystem gibt.

Wenn Du ein iPhone hast, dann denken wir, dass Dir das System etwas Stress nimmt. Aber denk an einen vollen Akku oder eine Powerbank. Und wenn Du im Sommer Magsafe benutzt vielleicht auch an Eiswürfel für Deinen Magsafe-Akku. 😉

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Profilbild von Andy
Andy ist seit September 2023 ein kleines Teilzeit-Rädchen (Häschen?) im Handyhase-Team. Bereits seit 2005 ist er schon als IT-Journalist tätig und war mal Sysadmin. Er hat einen Hang zu sehr besonderen Themen und Gesellschaft. Durch viele Reisen sind aber auch das Thema Flug und Zug zum Spezialgebiet geworden, das er in anderen Publikationen abdeckt.

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