Aboflation: Schöne neue Abo-Welt
Mir geht’s langsam auf den Keks! In einem enormen Tempo entwickelt sich unsere bisherige Konsumgesellschaft zu einer Gesellschaft zahlender Abonnenten. Früher einmal kauften wir Produkte, besaßen und benutzen sie, bis sie kaputtgingen oder wir sie nicht mehr brauchten. Heute kaufen wir etwas und zahlen monatlich auch noch dafür, dass sie uns unterhalten oder überhaupt etwas bieten. Aboflation, schöne neue Welt.
Aboflation: ins Abo reingerutscht
Ich hatte bis vor einigen Jahren noch hunderte DVDs und Blu-rays. Was habe ich es geliebt, diese zu shoppen und ins Regal zu stellen. Geschaut habe ich die Filme und Serien natürlich auch. Heutzutage brauche ich diese haptischen Plastikscheiben nicht mehr – ich habe schließlich Abos von Streamingdiensten.
Die paar Anbieter teilen sich den Markt auf und erhöhen in aller Regelmäßigkeit ihre monatlichen Gebühren. Und ich war so doof, mich von meinen ganzen Discs zu trennen. Ich entschied mich stattdessen für auf Dauer ebenfalls sehr kostspielige Abhängigkeiten. Hach, aber das große Angebot an Medien ist schon toll. Und ich kann jederzeit darauf zugreifen, wenn mir nach etwas Neuem ist. Eine Internetverbindung, für die ich natürlich auch monatlich wie bei einem Abo zahle, vorausgesetzt.
Oder Spotify. Ich kann mir ein Leben ohne den Musikanbieter nicht mehr vorstellen. Dumm nur, dass mir davon nichts gehört und Künstler schlecht bezahlt werden. Kündige ich das Abo, ist alles weg. Sogar mühsam angelegte Playlisten. Und Musiker verdienen dann noch weniger. Was für ein Mist.
Das Tor zur Abo-Hölle
Netflix, Amazon Prime, Spotify und noch ein paar andere Firmen öffneten bereits vor Jahren das Tor zur Abo-Hölle. Sie haben uns angefixt und zu willenlosen, fleißig zahlenden Opfern gemacht. Immer mehr Konzerne versuchen nun, ihre Produkte und Dienstleistungen in Abo-Angebote umzuwandeln – es gibt ja diese prominenten Vorbilder, die zeigen, wie gut das funktionieren kann.
Ich glaube: Hier rollt eine mächtige „Aboflation“ auf uns zu. Gut möglich, dass wir im schlimmsten Fall den Überblick darüber verlieren, welche Abos wir aktuell überhaupt abgeschlossen haben. Nunja – an den Kontoauszügen sehen wir das schon. Sofern die nicht auch nur als Abo verfügbar sein werden.
Persönlich habe ich gar kein Problem mit Socken- oder Kochbox-Abos. Die sind für einige Monate ganz nett, danach ist man gesättigt und kündigt diese wieder. Doch bei existenziellen oder (uns) wichtigen Angeboten wird’s schwierig.
Könntest Du problemlos auf Netflix oder Spotify verzichten, ohne dass Dir plötzlich etwas fehlt? Das Abo beenden ist theoretisch möglich, praktisch dagegen gibt’s ja kaum noch Alternativen.
Neue Funktionen? Bitte Abo abschließen!
Glaube nicht, wir reden hier nur über Streaming-Dienste. In absehbarer Zeit wird es noch spannend – im negativen Sinne! Du möchtest in Deinem neuen Audio A3 Android Auto oder Apple CarPlay benutzen? Gerne doch, aber bitte zahl gefälligst monatlich oder im Jahresabo dafür. Der Preis ist abhängig vom jeweiligen Modell – warum? Wer kommt auf solche Ideen?
Die sogenannten „Over-the-Air“-Upgrades sind im Auto-Business nichts Neues. Bei Tesla lassen sich seit Jahren zusätzliche Funktionen des Autos gegen Bezahlung via App freischalten. Bessere Navigation? Kostet als Premium-Konnektivität 10 Euro im Monat.
Dass BMW mit seinem Sitzheizungs-Abo 2023 für Unmut bei Kunden sorgte, wird den Autohersteller nicht davon abhalten, sich auch in Zukunft auf weitere Abo-Konzepte einzulassen. Das spült wieder Kohle in die klammen Kassen einiger Konzerne.

Was kommt 2026? (Screenshot)
Vielleicht hast Du es bisher nicht gewusst oder vergessen: Als Samsung das Galaxy S24 ankündigte, hieß es: „Viele Galaxy AI-Funktionen werden bis mindestens Ende 2025 kostenlos zur Verfügung gestellt“. Im Kleingedruckten ist dies nach wie vor auf der offiziellen Webseite zu finden, wir hatten darüber berichtet.
Und was geschieht danach? Wenn sich Millionen Menschen an KI am Smartphone gewöhnt haben, kommt der große Abo-Hammer? Es würde mich nicht wundern, zumal viele Features ohnehin eine Anbindung ans Internet benötigen. Und die Rechenleistung der nötigen Server muss Samsung schließlich bezahlen?! Nicht zu vergessen: Google will vermutlich auch was vom KI-Kuchen abhaben.
(Künstliche) Intelligenz gegen Bezahlung
Tja, KI. Möchtest Du deren Potenzial vollständig ausschöpfen, bitten Dich OpenAI (ChatGPT) und Google (Gemini) längst zur Kasse. Die kostenlosen Varianten sind abgespeckt, Du zahlst trotzdem mit Deinen Daten. Wenigstens kein Abo.
Übrigens: Seit einigen Wochen hat auch Meta ein Abo – für die werbefreie Verwendung von Facebook und Instagram. Kostenpunkt 5,99 Euro im Monat. Ein Abo dafür, dass Meta Deine Nutzungsdaten nicht abgreift und weiterverkauft – verrückt!

Teuer wird es, wenn du eine hochwertige KI brauchst. (Screenshot)
Bei Amazon werden für Prime knapp 90 Euro im Jahr fällig – und trotzdem wirst Du bei Prime Video mittlerweile mit Werbung zugeballert. Ohne Reklame? Kostet noch einmal extra! Und wenn irgendwann einmal Alexa 2.0 kommt, das vielleicht endlich halbwegs intelligent ist, darfst Du gewiss auch Geld in die Hand nehmen, um diese auf Deinen Echo-Geräten verwenden zu … dürfen?!
Beiläufig erwähnt: In den USA liegt das Jahresabo für Amazon Prime gegenwärtig bei 139 US-Dollar. Keine Sorge, hierzulande wird’s sicher auch bald teurer.
Es werde Licht – wenn Du bezahlst!
Richtig schräg ist meiner Auffassung nach das, was der Hersteller Nanoleaf auf der CES 2025 präsentierte. Für 2 US-Dollar im Monat winken zusätzliche Funktionen für Deine smarten Lichtpaneele.
Möchtest Du das nicht, dann bleiben sie halt …“dumb“. Das mögen zwar nur optionale Features sein, doch warum ein Abo? Haben Kunden nicht schon für die Hardware bezahlt? Ich will mir gar nicht vorstellen, was passiert, wenn Manager beim Hersteller Signify auf eine ähnliche Idee kommen. Millionen Nutzer von Philips Hue könnte eine üble Abo-Katastrophe erwarten.
Können wir noch etwas gegen die Abo-Inflation tun?
Ich weiß nicht so recht, wohin die Reise geht. Doch eines ist klar: Wittern Konzerne zusätzliche Einnahmequellen, dann werden sie es zumindest ausprobieren. Wir, die vielleicht sogar schon abhängigen Kunden, machen dann so einiges mit. Monatlich zahlen für Streaming mit Werbeunterbrechungen? Vor ein paar Jahren unvorstellbar! Da waren wir froh darüber, dass es keine Reklame mehr gab. Das war schließlich DAS Argument fürs Streaming, weil das lineare Fernsehen so sehr nervte.
Und heute? Ist halt so, nehmen wir in Kauf. Sonst müssten wir ja noch mehr Geld pro Monat zahlen. Voll dämlich.
Wir sollten uns wieder bewusst darüber werden, dass wir als Kunden wie Könige behandelt werden sollten. Stattdessen mutieren wir mehr und mehr zu Kühen, die gemolken werden. Und das bei einer zunehmend lieblosen Pflege. Wie lange wollen wir das noch mitmachen? Oder haben wir überhaupt noch eine Wahl bei der Übermacht der Konzerne?
Sollte zum Beispiel Samsung wirklich kostenpflichtige Abo-Modelle für KI am Smartphone einführen, wird der Aufschrei zu Beginn groß sein. Und dann? Werden es die Konsumenten wahrscheinlich wieder schlucken.
Apropos: Microsoft erhöhte kürzlich die Abo-Gebühren für sein Microsoft 365. Ich zucke mit den Schultern und denke mir: „Ärgerlich, aber was soll ich machen? Ich brauch’s und will‘s doch.“ Vorbei die guten alten Zeiten, als Word noch samt Karl Klammer auf Windows 98 vorinstalliert war. Und wo wir beim Thema sind: Mein Xbox-Gamepass Ultimate war übrigens auch mal billiger …
Zum Abschluss nur ein paar Zahlen: Mit Werbung und über 100 Millionen Abonnenten konnte YouTube im vergangenen Geschäftsquartal (4. Quartal 2023 bis 3. Quartal 2024) einen Umsatz von 50 Milliarden US-Dollar generieren. Ich denke, hier lässt sich noch mehr herausholen. Vielleicht den Abo-Preis erhöhen? Oder noch mehr Anzeigen? Die Grenze des Zumutbaren scheint noch nicht erreicht, sonst würde es bei den riesigen Big Playern auch mal schlechter laufen. Und wer ist schuld? Wir!