Kommender Standard 6G

6G als Evolution statt Revolution

Zwar ist 5G ein vergleichsweise junger Mobilfunkstandard, dennoch arbeiten die großen Player in der Branche eifrig an dessen Nachfolger 6G. Berlin diskutiert über den kommenden 6G-Mobilfunk, Geschwindigkeit und Einsatzszenarien. Dabei zeichnet sich aber ab, dass 6G bei Tarifen im Handel nicht allzu wichtig werden könnte. Es geht um das Große und Ganze, das nicht nur mehr Geschwindigkeit, sondern auch mehr 6G in den Alltag bringt.

6G Mobilfunk

6G Netz: Entwicklung beginnt schon jetzt

Wer sich ein wenig mit Mobilfunktechnik und -Standards beschäftigt, der weiß, dass Entwicklung und Umsetzung ein langer Prozess vorangeht. Dei Einführung von 5G ist gerade einmal fünf Jahre her, aber längst nicht überall Standard. Im Mobilfunk finden 5G-Tarife im Grunde erst seit Sommer 2023 breitgefächerte Anwendung, eben seit viele Mobilfunkdiscounter den neuen Standard freigeschaltet haben.

Der nächste Schritt 6G hingegen ist noch gar nicht so richtig in greifbarer Reichweite. Unser Autor Andreas hat sich auf der 6G Platform Germany informiert.

6G Platform Germany plant Mobilfunk der Zukunft

Doch die Vorbereitungen laufen – weltweit. Dabei vernetzen sich die Länder untereinander und gleichzeitig wird regional geforscht, diskutiert und standardisiert. Die 6G Platform Germany gehört dazu und die diskutierte im Juli über die Fortschritte, die wohl erst in den 2030er-Jahren zu Produkten führen werden: Handys, Notebooks, Roboter und Operationssäle, um nur wenige Beispiele zu nennen.

Die Konferenz klingt zwar etwas nach einer stark auf Deutschland fokussierten Veranstaltung. Doch die Geschäftssprache war englisch und viele Teilnehmer kamen von weit her. Selbst aus Japan kam ein Mitglied eines Diskussionspanels. Nicht wenige kamen zudem aus Finnland, denn dort sind einige große Netzausrüster und Universitäten mit dem Fokus auf Mobilfunktechnik beheimatet. Aber auch Deutschland ist natürlich stark vertreten. Seien es Netzbetreiber oder Forschungsinstitute wie das Fraunhofer.

6G Konferenz in Berlin

In Berlin wurde über die Zukunft von 6G diskutiert. (Foto: Andreas Sebayang/Handyhase.de)

Wie schnell ist 6G?

Aber kommen wir zur Frage für die sich viele interessieren dürften. Was bringt Dir eigentlich 6G? Die Frage ist derzeit leider gar nicht so einfach zu beantworten. Denn 6G soll Dir in den 2030er-Jahren etwas bringen und da kannst Du Dir selbst die Frage stellen: Weißt Du eigentlich, was Du in den 2030er-Jahren im Mobilfunk erwartest?

Die Antwort ist vermutlich: Bandbreite, Bandbreite, Bandbreite. Doch auf dem Kongress war das nur ein Randthema. Verzehnfachung war etwa zu hören, wurde aber nicht sonderlich weiter thematisiert. Vielleicht ist es dafür noch zu früh. Und vielleicht wirkt das alles noch zu abstrakt, denn im Alltag wird ja derzeit selbst die 5G-Surfgeschwindigkeit oft nicht voll ausgereizt.

Es gibt noch viel zu erforschen, das zeigte auch die 6G-Ausstellung während des Kongresses. (Foto: Andreas Sebayang/Handyhase.de)

Seitens der Netzbetreiber erwartet man aber, dass in 6G-Netzwerken die Leistung von 5G garantiert werden muss – und zwar von Anfang an.

Es geht also nicht mehr primär um Geschwindigkeitssteigerungen. Noch mehr Gigabytes in noch weniger Zeit herunterladen wird also – nach derzeitigem Stand – bei der Kundschaft eher schwierig zu bewerben sein. Ein Problem, das Anfangs auch bei 5G bestand. Doch die Anforderungen wurden immer größer. Heute kann man sich vor App-Updates beispielsweise kaum noch retten. Zehn Updates pro Tag sind schon heute für Smartphones in der Handyhase-Redaktion nicht ungewöhnlich.

Es ist also nicht auszuschließen, dass Netzbetreiber und Provider mit höheren Geschwindigkeiten sinnvoll „angeben können“. Allerdings wäre das vielleicht keine allzu gute Entwicklung.

6G und die Sache mit der Energie

Viel Sorgen macht man sich nämlich heute schon aufgrund eines steigendes Energiebedarfs, also der Leistungsaufnahme aus dem Stromnetz. Die wird wohl unweigerlich steigen. Zwar vermutlich nicht pro Megabyte, aber dadurch, dass Du immer mehr Megabytes brauchst, besteht die Gefahr, dass Effizienzverbesserungen durch den Mehrbedarf ausgeglichen werden. Den gesamten Stromverbrauch des Mobilfunknetzes zu ermitteln, ist ja gar nicht so einfach.

Dass das Thema allerdings schon jetzt in Diskussionen vorkommt, ist ein gutes Zeichen. Das heißt nämlich, dass alle Beteiligten bereits in der Designphase von 6G darauf achten. Im Gespräch sind etwa hochspezialisierte Netzwerkprozessoren (ASICs) oder auch programmierbare Prozessoren (FPGAs). Erstere werden speziell für ihr Aufgabenfeld gebaut. ASICs können also nicht viel, aber das was sie können, schaffen sie mit sehr wenig Energie.

FPGAs hingegen erlauben das Anpassen eines Prozessors an Aufgaben. Ob das Energie spart ist noch offen, aber eine Entwicklungsbeschleunigung wäre denkbar. Das Design eines fixen Prozessors ist nämlich sehr aufwendig. Vor allem darf sich dann aber an der Spezifikation von 6G nichts Essentielles mehr ändern. Ein FPGA kann angepasst werden.

Auch das Thema Künstliche Intelligenz spielte dabei eine Rolle, denn die braucht auch viel Energie. Sehr angenehm war, dass die Teilnehmer es nicht mit Marketingaussagen übertrieben. Hier und da wird KI helfen, aber oft sind es schlicht nur ausgetauschte Algorithmen. Zumindest zwischen Netzbetreibern und Netzausrüstern wird KI nur als etwas Technisches betrachtet.

Schon vor Jahren hat man sich über das Thema Energieverbrauch und 6G übrigens Gedanken gemacht, so eine Pressemitteilung des VATM aus dem Jahr 2021, laut der Ericsson und das MIT eine Null-Energie-Lösung erforschen Solche Geräte generieren Strom aus der Umgebung mithilfe von Vibrationen, Hochfrequenzwellen, Temperaturunterschieden und Licht. Dieser Ansatz würde den Akku Deines Smartphones beim 6G-Betrieb schonen.

Ein Angebot für den Handel oder die Industrie

Eines der wichtigsten Themen ist perspektivisch der Verkauf von 6G. Netzbetreiber wie die Telekom und Vodafone waren dementsprechend mit Vertretern auch anwesend. Doch zu den möglichen Geschäftsmodellen war noch nicht viel zu erfahren. Auch wie und wo 6G angewandt werden soll, sogenannte Use Cases, waren noch ein Nebenthema.

Wie aus dem Kongress herauszuhören war, bereiten sich die Netzbetreiber aber schon darauf vor, die neue Technik eher an Industriekunden zu verkaufen. Spezialisierte Netze werden wohl besonders wichtig. Beispiele wären etwa große Campusnetze. Schon heute ist das mit 5G ein wichtiges Geschäftsfeld.

6G wird das Thema wohl weiter vorantreiben. Also eigene Netze für Universitäten, Flughäfen, Bahnhöfe oder auch Firmen wären Geschäftsfelder für den Verkauf von 6G-Technik. Davon bekommst Du dann aber normalerweise nur etwas mit, wenn Du Teil einer dieser Institutionen bist oder dort arbeitest, Dein Werkzeug beispielsweise Teil eines 6G-Netzwerks ist.

Industrieanwendungen für 6G (Foto: Andreas Sebayang/Handyhase.de)

Übrigens: Immer wieder herauszuhören war, dass 6G unbedingt kompatibel mit 5G sein muss. Zum einen, um die Investitionen zu schützen, und zum anderen, weil man weiter alle Funkstandards unterstützen will. Kommt da vielleicht eine eher langsame Entwicklung hin zu 6G?

Wann geht es los und wie geht es mit 6G weiter?

Das ist wohl zu erwarten und bei 5G auch schon zu beobachten. Stichwort wären etwa Stand-Alone-Netzwerke ohne LTE-Anker. Die großflächige Verbreitung ist noch etwas recht neues. Dazu kommen Diskussionen in der Industrie, wie sie etwa Huawei mit 5.5G vor allem zum letzten Mobile World Congress 2024 anstieß.

Die Schritte dazwischen werden auch längst angeangen, seien es eher im Hintergrund passierende Änderungen, die über sogenannte 3GPP-Standard-Veröffentlichungen in die Netze gebracht werden oder etwa der von Huawei stark propagierte Weg zu 5.5G-Technik.

Das ist zwar auch ein wenig Marketing, aber die Veränderungen sollen deutlich werden. Die Entwicklung ist soweit abgeschlossen, dass sich 2024 an 5.5G von der Spezifikation wohl nichts mehr ändern soll.

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Ein Antennenmodul das potenziell für 6G eingesetzt werden könnte. (Foto: Andreas Sebayang/Handyhase.de)

Das läuft zusammen mit Änderungen über sogenannte 3GPP-Veröffentlichungen. Sogenannte Releases definieren, was der 5G-Standard eigentlich kann. Manches ist für Dich interessant, anderes eher für die bereits genannten Campusnetze.

Mit 6G ist ähnliches zu erwarten. Die ein oder andere Funktion könnte gar in 5G nach vorne gezogen werden über diese 3GPP-Releases, die eigentlich noch 5G zuzuordnen sind. Das kann durchaus unangenehme Nebeneffekte haben. Schon in der Vergangenheit gab es Situationen in denen 4G-Netzbetreiber in den USA ihr Netz plötzlich 5G für das Marketing nannten. Der Kreaitivität mancher Netzbetreiber sind da leider keine Grenzen gesetzt.

Wichtig zu wissen: Was auch immer für 6G definiert wird: Die Industrie ist sehr darauf bedacht, dass der Standard so gefasst wird, dass Erweiterungen möglich sind und dabei die Hardware natürlich möglichst kompatibel bleibt. Auch hier geht es um Schutz der Investitionen in die Zukunft.

Eine riesige Aufgabe, wenn man bedenkt, dass hier weltweit an einem Standard gearbeitet wird. Offenbar lohnt sich dieser Koordinierungsaufwand aber. Das zeigte zumindest 5G bereits. Vorbei sind die Zeiten, als etwa in den USA und Japan grundsätzliche andere Netzwerktechnik eingesetzt wurde als etwa hier in Europa (CDMA vs. W-CDMA).

Doch 6G wird voraussichtlich viel mehr als nur ein Mobilfunknetz

Wenn der Roboter vom Gehirn zum Arm per 6G funkt

Handyhase hat dafür mit dem Fraunhofer IIS gesprochen. Zusammen mit Größen wie Sony, Apple, Nokia und Bosch, um nur einige zu nennen, arbeitet man an sogenannten In-X Subnetworks. Das ist ein kleines 6G-Mobilfunknetzwerk.

Das größte wäre hier schon ein Klassenzimmer. Doch es geht auch kleiner. So sollen Roboter oder auch Fahrzeuge in Zukunft keine Kabel mehr brauchen. Stattdessen funkt das Gehirn eines Roboters seine Signale per 6G etwa an den Arm zur Umsetzung. Der große Vorteil: weniger Verschleiß. Bricht ein Kabel, ist es erstmal kaputt.

Aufbau eines 6G-Netzwerks im sehr kleinen Bereich. (Foto: Andreas Sebayang/Handyhase.de)

Luft hingegen verschleißt nicht und aus eventuellen Störungen kann 6G sich wieder erholen. Dazu kommen Techniken, um Störungen zu reduzieren. Zum einen, indem Kommandos etwa mehrfach geschickt werden und diese zum anderen auch parallel auf verschiedenen Frequenzbändern losschickt. Auf kurzen Distanzen ist das kein Problem. Zumal hier nur eine geringe Bandbreite zu erwarten ist.

Solche Kurzdistanz-6G-Netzwerke sind also nichts für Dein Heimkino mit Streaming. Da braucht es dann eher ein großes 6G-Netzwerk.

Was noch zu 6G gehört: Das Netzwerk der Netzwerke

Mit den Mini-6G-Netzwerken, die mitunter nur auf einem Meter ihr Mobilfunknetzwerk aufspannen, kommen wir zu einer spannenden Frage: Wie verbindet sich der intern mit 6G arbeitende Roboter denn mit anderen Geräten oder einer Lagerhalle. Die Antwort: Auch mit 6G. Nur mit einer anderen Sendeleistung und vermutlich anderen Frequenz.

Stichwort ist hier das Netzwerk der Netzwerke. Die kleinen Netzwerke verbinden sich über ein größeres Netzwerk und dieses wiederum anwendungsbezogen vielleicht wieder mit einem weiteren.

Das kann bis in den Weltraum reichen, eine Technik die mit LTE und 5G gerade erst einen Anfang macht, für 6G aber intensiver berücksichtigt wird. Das schließt auch die Problematik mit Satelliten im niedrigen Orbit ein, wie etwa Starlink. Die „huschen“ nämlich relativ schnell über den Himmel, um ihre Höhe zu halten. Das macht es beispielsweise für Smartphones aber zu einer Herausforderung, mit diesen im Kontakt zu bleiben.

Die ersten aktuellen Satellitenexperimente zeigen das auch schon.

Unklarheit macht 6G spannend

Die Zukunftsvisionen aus der Forschungsperspektive sind auf jeden Fall spannend. Hier wird in viele Richtungen gedacht. Medizintechnische Anwendungen waren beispielsweise neben der Logistik ein Fokus in Berlin.

Die große Frage, die sich die Industrie aber erstmal stellen muss: Was soll der Kundschaft angeboten werden. 6G wird wohl kein Selbstläufer werden.

Medizin und 6G waren auf dem Kongress ein auffallendes Thema. (Foto: Andreas Sebayang/Handyhase.de)

Aki Nakao der Tokyo University sagte etwa, dass er davon ausgeht, dass die Menschen sich nicht für 5G und 6G mehr interessieren, sondern für die Anwendungsszenarien. Eine interessante Perspektive aus einem Land, das eine sehr starke technische Ausrichtung und eine technisch interessierte Bevölkerung hat.

Es kann also durchaus sein, dass 6G alle betrifft, aber eben weniger als Tarif und vielmehr als allumfassende Mobilfunktechnik, die wirklich überall drin stecken wird. Dann setzt sich 6G vielleicht durch, weil eben dieses eine Wunschgerät nur damit vernünftig in den 2030er-Jahren umsetzbar sein wird. Alles andere sind dann vielleicht nur Verbesserungen bestehender Techniken.

Evolution statt Revolution.

Siemens, als Anbieter von Campus-Netzwerken, richtet sich auf eine Verbesserung von bestehenden Techniken ein.

6G und die Hologramme

Nicht nur die Netzbetreiber, sondern auch die Hersteller wie Samsung streckten bereits vorzeitig ihre Fühler Richtung 6G aus. Samsung äußerte sich bereits vor Jahren entsprechend. Unter dem Stichwort „Next Generation Communications“ ist der Stand der Forschung bei den Südkoreanern einsehbar. Insbesondere Hologramme durch neuartige Smartphone-Displays standen dort zuletzt im Fokus. Das Thema Hologramme hat ja durch den Einsatz von KI zuletzt deutlich Aufwind bekommen, schon 5G-Netze sind für diese Zwecke prädestiniert.

Nicht nur beim Entertainment, auch in der Medizin und der Industrie könnte dies eine wichtige Errungenschaft werden. Sogenannte digitale Zwillinge, exakte virtuelle Kopien von Objekten, wären in Echtzeit übertragbar. Laut Samsung hätte 6G in der Spitze seiner Entwicklung Reserven, um Datenraten von bis zu 1 Terabit pro Sekunde zu stemmen.

Wer finanziert die 6G-Entwicklung?

Ein flotter, zukunftsweisender Mobilfunk ist essenziell für eine moderne Bevölkerung. Das wissen auch die Politiker. Deshalb gab die Bundesregierung bereits 2021 bekannt, 700 Millionen Euro für die Finanzierung des sechsten Mobilfunkstandards investieren zu wollen. Der holografische Ansatz spielt dabei ebenfalls eine große Rolle.

„Wir müssen jetzt schon an das Übermorgen denken und neue Schlüsseltechnologien und Standards in den Kommunikationstechnologien von Beginn an mitgestalten.“, erklärte 2021 Anja Karliczek, die damalige CDU-Bundesforschungsministerin (via Bundesministerium für Bildung und Forschung). Außerdem führte sie damals aus, dass 6G „große Vorteile für die mobile Kommunikation jedes einzelnen Menschen, aber auch für unsere Industrie und Landwirtschaft“ bringt.

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Profilbild von Andy
Andy ist seit September 2023 ein kleines Teilzeit-Rädchen (Häschen?) im Handyhase-Team. Bereits seit 2005 ist er schon als IT-Journalist tätig und war mal Sysadmin. Er hat einen Hang zu sehr besonderen Themen und Gesellschaft. Durch viele Reisen sind aber auch das Thema Flug und Zug zum Spezialgebiet geworden, das er in anderen Publikationen abdeckt.
Beteiligte Autoren: André

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